Geschichte von Armsheim / Schimsheim
Vorgeschichte
Seit 40.000 Jahren leben Menschen in der Talaue des Wiesbaches, seit 1.500 Jahren befinden sich hier die Dörfer Armsheim und Schimsheim. Die offene, von Bachläufen durchzogene Landschaft hatte den altsteinzeitlichen Jägern und Sammlern ideale Lebensbedingungen geboten. Seit der Jungsteinzeit (nach 4.000 v. Chr.) war das Land dauerhaft besiedelt. Ackerbau und Viehzucht waren die Lebensgrundlagen. Zahlreiche jungsteinzeitliche, bronze-, und eisen(latène-)-zeitliche Funde belegen die dichte Besiedlung. Einen ihrer Schwerpunkte bildete das Gelände des Baugebietes "Mainzer Weg". Oberirdische Zeugnisse dieser frühen Zeit sind die Menhire, von denen allerdings nur noch einer in der Nähe seines ursprünglichen Aufstellungsortes steht.
Im 5. Jahrhundert v. Chr. befand sich im Bereich der Gemarkung ein keltischer Fürstensitz. Ein dazu gehörendes Grab auf dem Laushöbel wurde beim Eisenbahnbau angeschnitten. Kostbare Beigaben - u.a. Teile eines Wagens, etruskisches Bronzegeschirr - verraten etwas über die Macht und den Reichtum dieser Fürsten, zu deren Herrschaft vermutlich die keltische Stadt auf dem Wißberg gehört hatte. Die keltische Zeit endete um Christi Geburt mit dem Beginn der römischen Herrschaft.
In den vierhundert Jahren der Zugehörigkeit zum Römischen Reich wurde das Land durch Staatsdomänen bewirtschaftet. Wo diese Landgüter lagen, kann aus Bodenfunden und Flurnamen ("Weiler") erschlossen werden. Ein Jupiter-Heiligtum lag im Bereich der Armsheimer Kirche, ein Diana-Heiligtum in der westlichen Gemarkung. In der Suntflur hatte sich bis ins 20. Jh. das durch Grenzsteine markierte Areal einer solchen Villa erhalten.
Die römischen Landgüter wurden an der Wende um 400 n. Chr. nach dem Vorstoß germanischer Stämme über den Rhein und dem Abzug des römischen Militärs aufgegeben.
Geschichte
Die eigentliche Geschichte der beiden Orte beginnt mit der Besiedlung dieses Landes durch die Franken um das Jahr 500. Die Dörfer bestanden aus einer lockeren Gruppierung von Gehöften um ein zentrales Hofgut mit Kirche und Friedhof, nach dessen Eigentümer die Siedlungen benannt wurden. Weitere Einzelhöfe lagen außerhalb. In den unruhigen Zeiten des 12. und 13. Jahrhunderts wurden sie aufgegeben und es kam zu der heute noch sichtbaren stadtähnlichen Verdichtung der Siedlungen, die durch Hecken und Gräben geschützt wurden.
Der Straßenverlauf und die Bebauung geben wichtige Hinweise auf Entstehung und Entwicklung der beiden Dörfer.
Den Ortsmittelpunkt Schimsheims bildet heute der kleine Platz, der durch die hier zusammenlaufenden Straßen gebildet wird. Auf ihm stand der Dorf- und Gerichtsbaum, die legendäre Schimsheimer Effe. Die gegenwärtig hier wachsende Linde wurde in den Hohlraum der Effe gepflanzt, nachdem diese abgestorben war. Ursprünglich war hier der Ortsrand, der zugehörende Brunnen ist wenige Schritte südlich erhalten. Die angrenzende Kirchgasse verweist auf den Standort der im Dreißigjährigen Krieg zerstörten St. Martins-Kirche.
Die Siedlungsstruktur Armsheims zeigt, auf welcher wirtschaftlichen Grundlage die Siedlung basierte und welches die treibenden Kräfte der Ortsentwicklung waren. Im Gegensatz zu der ruhigen Entwicklung Schimsheims war sie durch einen schnellen Aufstieg zu kurzer Blüte und durch einen ebenso schnellen Niedergang gekennzeichnet.
Zwei Siedlungsschwerpunkte sind zu unterscheiden, ein nördlich der Durchgangsstraße gelegener mit dem "Freien Platz", ein südlicher entlang der Mühlstraße. Vieles spricht dafür, daß es sich bei diesem um eine planmäßige Ansiedlung handelt, insbesondere die nahezu quadratische Anlage des Rosenplatzes, der an einen städtischen Marktplatz erinnert.
Als treibende Kräfte erwiesen sich die St. Remigius-Kirche und die Burg der Ortsherren, der Grafen von Veldenz. Eine Blutreliquie der Remigius-Kirche wurde das Ziel einer überregionalen Wallfahrt und Anlass zum Bau der Wallfahrtskirche "Zum heiligen Blut" (1431), die zu den bedeutendsten gotischen Bauwerken am Mittelrhein gehört. Der als Wasserburg gebaute Herrschaftssitz der Grafen war Mittelpunkt ihrer Besitzungen in diesem Raum. Der Ort erhielt Stadtrechte (spätestens 1349) und wurde durch Mauern und Türme befestigt. Armsheim galt als am besten befestigte Stadt im Nahegau. Erhalten haben sich Teile der Stadtmauer zwischen Kirchhof und Neugasse, der Billgraben sowie unterirdische Gänge. Drei Torwärterhäuser belegen die Ausdehnung des Ortes über lange Zeit.
Größe und Schönheit der gotischen Kirche verraten noch etwas über die Bedeutung Armsheims als Wallfahrtsort und veldenzische Stadt. Mit dem Aussterben der Veldenzer und der Einführung der Reformation endete diese Entwicklung: Der Ort kam 1471 an Kurpfalz, Mauern und Türme wurden geschleift, er verlor die Stadtrechte und wurde dem Oberamt Alzey unterstellt. Die Reformation brachte 1556 die Zerstörung der Inneneinrichtung der Kirche und das Ende der Wallfahrt. Spuren der Zerstörung zeigen das Grabmal des Pfarrers Odenkemmer im Chor der Kirche sowie die zerschlagene Figur eines Heiligen, die in einem Anwesen in der Hauptstraße vermauert wurde.
Als Dorfmittelpunkt Armsheims kann man den kleinen Platz ansehen, an dem das Gemeindebackhaus stand. Unweit davon war der Pranger, später die Gemeindewaage. Nur wenig oberhalb steht das alte Rathaus, von dessen Fassade das Normalmaß stammt, die eiserne Elle, die jetzt an der Vorhalle der Evangelischen Kirche befestigt ist. Auch der größte Gasthof des Dorfes war nicht weit.
Außerhalb des Ortes lagen an der Straße nach Schimsheim das Hospital für die Leprakranken, das "Gutleuthaus", an der Straße nach Alzey das Haus des Scharfrichters. Die Gewannbezeichnung "Galgenberg" südlich des Bahnhofes verweist auf die alte Richtstätte.
Die Bedeutung Armsheims hatte darauf beruht, Verwaltungssitz und Wallfahrtsort zu sein, war nicht die Frucht von Gewerbe und Handel. Für diese fehlte die Anbindung an ein überregionales Straßennetz. Die Fernstraße von Worms nach Bingen, die "Hohe Straße" führte über Flonheim westlich des Dorfes vorüber, die "Alte Straße" von Alzey nach Ingelheim östlich, etwa im Zuge der heutigen Bahnlinie. Hinzu kommt, daß die Ortsgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts durch wiederholte Zerstörungen und Plünderungen gekennzeichnet ist. Wenig blieb bei der Pfalzverwüstung durch Ludwig XIV. erhalten. Eine erste systematische Ortserweiterung erfolgte im 18. Jh. auf dem zugeschütteten Graben (Neugasse), dann vereinzelt seit dem frühen 19. Jh. später an der Landstraße.
Eine neue Epoche der Ortsentwicklung begann mit dem Ausbau der rheinhessischen Landstraßen in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts und mit dem Bau der Eisenbahnstrecken Bingen-Worms (1870), Mainz-Alzey (1871), Armsheim-Wendelsheim (1871 - 1895). Die nach 1870 am Bahnhof entstandene Siedlung war vom Wein-, Kohlen- und Viehhandel sowie durch das Küferhandwerk geprägt. Die Bebauung der Bahnhofstraße (zuvor "Sauweg") spiegelt die Bedeutung, die die Eisenbahn über hundert Jahre für den Ort hatte. Eine andere Form der Ortserweiterung liegt im Neubaugebiet "Mainzer Weg" (Baubeginn 1983) vor, das die beiden 1969 vereinigten Orte Armsheim und Schimsheim verbindet.
An der Entwicklung der Haus- und Gehöftformen lassen sich die Phasen der Ortsgeschichte seit dem 16. Jh. leicht ablesen. Die typischen fränkischen Gehöfte weisen auf die Landwirtschaft, zum Teil verbunden mit dem Handwerk, als Erwerbsquelle hin. In der Zeit nach 1870 zeigen die Häuser mit ihren Nebengebäuden wie die vornehmlich aus dem ländlichen Raum stammenden Neubürger eine Verbindung von Lohnarbeit und landwirtschaftlichem Nebenerwerb anstrebten (vor allem Bereich des Bahnhofes). Die Wohnhäuser der dritten Phase schließlich sind überregional und städtisch orientiert und zeigen keinen Bezug zu Landschaft, Ortsgeschichte und Landwirtschaft. Damit ist die Ortsgeschichte in eine kritische Phase eingetreten.
(Text: Dr. Wolfgang Bickel, Armsheim)